Krypto unter Druck: Was der US-Shutdown über die Widerstandsfähigkeit des Marktes verrät

Während des Shutdowns der US-Bundesregierung, der am 1. Oktober 2025 begann, wechselte die Securities and Exchange Commission (SEC) in den Notbetrieb mit reduzierter Personalbesetzung. Fast hundert Entscheidungen zu Krypto-ETFs gerieten dadurch in eine Genehmigungsschleife, und wichtige Veröffentlichungen von Wirtschaftsdaten durch Behörden wie das Bureau of Labor Statistics und das U.S. Census Bureau wurden pausiert.

Für den Kryptosektor wurde dieser Blackout zu einem ungeplanten Stresstest, da die Branche plötzlich ihre üblichen regulatorischen Stützpfeiler verlor. Und da sich der Kryptomarkt oft damit rühmt, dezentralisiert und selbstgenügsam zu sein, ist dies ein Moment der Wahrheit, in dem er diesen Anspruch unter Beweis stellen kann.

Wie verhalten sich Krypto-Trader, Börsen und Emittenten, wenn die Aufsicht plötzlich verschwindet? Werfen wir einen Blick darauf.

Was bei einem US-Shutdown tatsächlich pausiert:

• Überprüfungen von ETF- und Token-Anträgen: Die routinemäßige Bearbeitung von ETF- und Token-Registrierungsdokumenten wird weitgehend ausgesetzt, wie die Ankündigung der SEC zeigt.
• Kommunikation mit Emittenten: Viele Kommunikationskanäle zwischen der SEC und den Antragstellern sind während des Shutdowns inaktiv.
• Veröffentlichung von Bundesdaten: Berichte wie Arbeitsmarkt-, Inflations- und Handelsdaten werden laut Mitteilungen des Census Bureau und des Bureau of Labor Statistics vor dem Shutdown verzögert.

Eine Pause der Aufsicht, nicht der Aktivität

Der Shutdown stoppte nicht nur neue Regelungen; er hielt alles an, was dem Markt Struktur und Transparenz verleiht. Und da die Durchsetzungsaktivitäten auf ein Minimum reduziert wurden, müssen Krypto-Emittenten, Börsen und Trader die Stille auf eigene Faust navigieren.

Für Emittenten ist es eine Übung in Geduld. Es bleibt nichts anderes übrig, als zu warten. Projekte mit ausstehenden ETF- oder Token-Anträgen können einfach nicht vorankommen, egal wie bereit sie sind. Bürokratische Pausen machen keine Unterschiede – sie treffen jeden Schwung gleichermaßen.

Börsen hingegen bleiben stabil. Die erfahreneren wissen, dass ein reibungsloser Betrieb während eines regulatorischen Blackouts die beste Versicherung ist. Sollte jetzt etwas schiefgehen, wird es später mit hoher Wahrscheinlichkeit geprüft. Die klugen Akteure bemühen sich daher, konform zu bleiben und alles zu vermeiden, was später fragwürdig erscheinen könnte, wenn die Aufsicht zurückkehrt.

Trader hingegen scheinen das Chaos zu nutzen und betrachten den Shutdown eher als Chance denn als Grund, langsamer zu werden. Nehmen wir Bitcoin als Beispiel: In den ersten zwei Wochen nach Beginn des Shutdowns (1.–14. Oktober) wurde BTC kurzzeitig über der 120.000-Dollar-Marke gehandelt, mit einem 24-Stunden-Volumen von 60–70 Milliarden Dollar, wie CoinMarketCap berichtet.

Da es keine neuen makroökonomischen Daten oder regulatorischen Schlagzeilen gibt, an denen sich Erwartungen orientieren könnten, verlassen sich Marktteilnehmer auf das einzige verbleibende Signal: die Kursentwicklung. In normalen Zeiten fragen Trader nach dem „Warum“ einer Bewegung. Im Vakuum reagieren sie einfach auf das „Was“. Es entsteht eine Rückkopplungsschleife: Der Preis beeinflusst die Stimmung, die Stimmung beeinflusst den Preis. Das Ergebnis ist ein Markt, der lebendig und unvorhersehbar wirkt, aber auch von den Fundamentaldaten abgekoppelt ist. Was immer der Markt tut, wird zur Botschaft.

Ein Zeichen von Stärke? Oder von Unreife?

Das ist faszinierend zu beobachten, aber auch sehr riskant. An der Oberfläche wirkt der Markt reif. Die Kurse steigen, die Liquidität ist hoch und die Börsen zeigen keine Anzeichen von Stress. Angesichts der fehlenden aktiven Aufsicht deutet das darauf hin, dass die Krypto-Infrastruktur widerstandsfähiger geworden ist als früher.

Doch unter der Oberfläche zeigt der Shutdown auch Schwachstellen auf. Einige Trader verhalten sich, als bedeute das Fehlen von Aufsicht die Freiheit, größere Risiken einzugehen. Es ist das finanzielle Äquivalent dazu, dass Kinder Grenzen austesten, wenn die Eltern nicht da sind. Aber machen Sie keinen Fehler: Wenn die Aufseher zurückkehren, werden sie jede Ecke überprüfen.

Phasen regulatorischer Abwesenheit laden oft zu mehr Leverage und nachlässiger Offenlegung ein. Im Kreditmarkt haben Analysten beobachtet, dass Unternehmen, die außerhalb des vollen Blickfelds der Aufseher und der öffentlichen Berichterstattung agieren, mit beispielloser Diskretion handeln – abgeschirmt von der Disziplin und Kontrolle, die normalerweise durch die Aufsicht ausgeübt wird.

Und nach unseren bisherigen Beobachtungen gilt das Gleiche für den Kryptomarkt: Wenn die Aufsicht minimal ist, beschleunigt sich das Austesten von Grenzen. Aber wenn die SEC wieder voll besetzt ist, verschwinden diese Handlungen nicht einfach – sie werden dann nur für eine rückblickende Überprüfung sichtbar.

Ja, der Markt hält sich, aber er wird getestet. Wahre Reife zeigt sich nicht darin, wie man sich verhält, wenn jemand zuschaut – sondern darin, was man tut, wenn niemand hinsieht.

Wenn die Daten nicht mehr fließen

Bei aller Unabhängigkeit agiert der Kryptomarkt nicht im luftleeren Raum. Da immer mehr traditionelle Akteure in den Sektor einsteigen, bewegen sich digitale Vermögenswerte zunehmend im Einklang mit makroökonomischen Signalen – Zinssätze, Inflationsberichte und regulatorische Updates. Diese Signale prägen Stimmung, Liquidität und Strategie. Wenn sie plötzlich ausbleiben, verschiebt sich das gesamte Entscheidungsgefüge.

In ihrer Abwesenheit gewinnen andere Signale an Bedeutung. Trader achten verstärkt auf On-Chain-Kennzahlen wie Wallet-Flows oder Gasgebühren. Die Stimmung in sozialen Medien und Nachrichten wird zum Ersatz für Wirtschaftsdaten. Da die traditionellen Datenströme versiegt sind, rückt das Hintergrundrauschen in den Mittelpunkt und wird zum neuen Kompass.

Doch dieser Ersatz hat Grenzen. Während On-Chain-Daten Aktivitäten offenbaren können, erfassen sie nicht immer die Absicht. Und damit auch nicht immer das Risiko. Ohne verlässlichen makroökonomischen Kontext können selbst erfahrene Trader die Marktlage falsch einschätzen.

ETF-Verzögerungen: Der stille Momentum-Killer

Vielleicht das sichtbarste Opfer des Shutdowns ist die Pipeline von Spot- und Futures-ETFs, deren Überprüfung durch die SEC gestoppt wurde.

Diese sind nicht nur Finanzprodukte – sie stehen für institutionelle Anerkennung und Investorenvertrauen. Wenn Genehmigungen eingefroren werden, verlieren Entwickler an Schwung und Investoren an Geduld. Es interessiert niemanden, warum die Genehmigungen fehlen, sondern nur, dass sie fehlen. Und der gesamte Sektor hat das Gefühl, wieder auf eine Erlaubnis warten zu müssen.

Es ist wichtig zu bedenken, dass die Verzögerung kein „Nein“ bedeutet – sondern ein „noch nicht“. Es ist lediglich ein bürokratischer Stillstand und kein negatives Urteil der Aufsichtsbehörde. Aber die Wahrnehmung zählt, und in einem schnelllebigen Markt wie Krypto kann selbst Stille wie eine Ablehnung wirken.

Shutdowns sind selten für irgendjemanden gut, können aber besonders verheerend für Sektoren sein, in denen Timing, Vertrauen und Momentum alles sind.

Kurz zusammengefasst:

• Der Anstieg von Bitcoin während des Shutdowns signalisiert Vertrauen, aber auch spekulative Reflexe, wenn die Aufsicht fehlt.
• Verzögerungen bei ETF-Überprüfungen spiegeln Bürokratie und Personalprobleme wider, nicht die offizielle Haltung der SEC. Es ist wichtig, dass dies die allgemeine Marktstimmung nicht beeinflusst.
• Mit pausierten Makrodaten gewinnen On-Chain- und Stimmungsindikatoren an Einfluss, können aber irreführend sein. Diese Tools zeigen Aktivität, aber nicht immer die Absicht.

Das große Ganze

Was sagt uns dieser Stresstest also letztlich? Erstens, dass die Zeiten, in denen regulatorische Unsicherheit alle Aktivitäten zum Stillstand brachte, weitgehend vorbei sind – die Krypto-Infrastruktur ist heute stärker und widerstandsfähiger.

Aber er zeigt auch, dass das Fehlen von Aufsicht nicht das Fehlen von Risiko bedeutet. Der Markt mag jetzt stabil sein, aber wenn der normale regulatorische Betrieb wieder aufgenommen wird, bleibt abzuwarten, wer sich in der Stille übernommen hat.

Der aktuelle Shutdown mag vorübergehend sein, aber die Erkenntnisse, die er über Disziplin und Reife dieses Marktes liefert, werden weitreichende Folgen haben.